negativity bias

Negativity Bias und unser verzerrtes Weltbild

Kriege, Klimawandel, Korruption in der Politik, Pandemie und Flüchtlingsprobleme – betrachten wir einmal die Themen, über die wir in den Medien informiert werden, wird deutlich: Negative Ereignisse und Entwicklungen stehen überall im Fokus. Doch die Folgen solch durchwegs düsterer Berichterstattung auf das Weltbild der Menschen und ihre Beteiligung am Weltgeschehen sind nicht zu unterschätzen. Medien bestimmen durch die innerhalb der Nachrichten herrschende Zentralisierung bestimmter Themen nicht nur worüber wir nachdenken, sondern in gewisser Weise auch, wie wir die rezipierten Informationen einschätzen und zu einem Gesamtbild verknüpfen. Bei überwiegend negativer Berichterstattung bedeutet das, dass auch unsere Vorstellung darüber, wie es um den Zustand der Welt bestellt ist, stark negativ geprägt wird. Aber warum ist das so?

Mitgründerin des Online-Magazins Perspective Daily, Maren Urner, erklärt unseren Hang zum Negativen so: „Wir alle tragen den sogenannten »Negativity Bias« in uns, also einen Fokus auf negative Inhalte. Wir speichern negative Informationen und potentielle Gefahren nicht nur besser ab und reagieren intensiver auf sie, sondern suchen auch mehr danach.“ Als Erklärung für dieses Verhalten nennt sie unsere prähistorischen Instinkte, die noch aus der Steinzeit in uns schlummern. Damals war es wichtig ständig auf lauernde Gefahren vorbereitet und über diese informiert zu sein, da diese den eigenen Tod bedeutet könnten. Das schnelle Erkennen potenzieller Gefahren war also ursprünglich zu unserem Schutz da. Durch den endlosen Schwall an negativen Nachrichten, die wir mittlerweile aus der ganzen Welt, rundum die Uhr und in Sekundenschnelle erhalten können, malt unser Steinzeitgehirn dann jedoch ein sehr unheilvolles Gesamtbild. Ein Bild, was aber nicht unbedingt der vollen Wahrheit entspricht. Wenn die Medien dies wissen, wieso kann Berichterstattung dann nicht etwas ausgewogener ausfallen? Ganz einfach, weil negative Nachrichten sich besser verkaufen.

Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten

Negativität und Emotionalität sind die effektivsten Mittel eine große Reichweite mit einer Nachricht zu erzielen. Medienschaffenden ist dies völlig bewusst. „Je drastischer und je emotionaler kommuniziert wird, desto mehr Klicks gibt es“, schreibt Journalistin Eltje Kunze [siehe obere Quelle]. Emotional-negative Nachrichten sind also schlichtweg erfolgreicher als positive. Dabei unterschätzen viele Medienmacher:innen häufig, welch einen schlechten Einfluss überwiegend negative Berichterstattung auf Rezipienten hat. Sie bringt die Menschen nicht dazu, sich aktiver und produktiver an der Lösung von Krisen zu beteiligen, sondern versetzt sie im Gegenteil in einen Zustand der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Der Mensch hat nur ein bestimmtes Maß an emotionaler und kognitiver Kapazität. Er kann und soll sich nicht durchgehend mit schlechten Nachrichten beschäftigen, sonst wird er sich früher oder später von dem Berg an angekündigten Gefahren und Problemen überwältigt fühlen.

„Natürlich ist die Lösung nicht, einfach aufzuhören Nachrichten zu konsumieren. Stattdessen, denke ich, ist eine Balance sehr wichtig, zwischen der Notwendigkeit, informiert zu bleiben und sich einzubringen, aber auch auf das eigene mentale Wohlergehen zu achten“, lautet die Antwort der Autorin und Kommunikationsdesignerin Fabienne Schovenberg. Doch auch auf der Seite der Medienschaffenden muss ein Wandel her. Anstatt nach den dramatischsten Schlagzeilen zu suchen, sollten sich Nachrichtenschaffende eher um einen konstruktiven Journalismus bemühen. Das bedeutet, es soll nicht nur schwarzgemalt, sondern auch über mögliche Lösungen und Weiterentwicklungen aus Sicht von Experten berichtet werden. Damit wären Nachrichten nicht nur besser zu verdauen und weniger angsteinflößend, sie werden auch umfassender abgebildet, von mehr als nur einer Seite beleuchtet und in ihrem vollen Kontext präsentiert. Besonders wichtig ist hierbei, dass Journalistinnen und Journalisten nicht selbst nach einer Lösung für das Problem suchen müssen – dies ist in den meisten Fällen sowieso nicht so einfach möglich – sondern dass sie Interviewpartner:innen finden, die sich mit dem Thema gut auskennen und eine ausgewogenere Sichtweise auf dieses bieten können. Würde solch eine Form der Berichterstattung zur Norm werden, wäre vermutlich auch das Weltbild der Menschen nicht ganz zu negativ geprägt und ihre Hoffnung für die Zukunft und ihre Motivation zur Partizipation an der Problemlösung würden nicht an dem Glauben scheitern, die Welt wäre ohnehin nicht mehr zu retten.

Wenn Sie sich für die kritisch-kreative Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und Krisen der Zeit und deren Behandlung in den Medien interessieren, werfen Sie doch einmal einen Blick in Dr. Wolf Allihns Lyrik- und Prosa-Sammlung „Wahnsinns Beute“, wo sie unter anderem Gedichte und Leserbriefe des Autors zu derzeitigen Nachrichtenthemen finden. Wollen Sie außerdem mehr über unseren Hang zur Negativität und den Kampf um Motivation beim Weltverbessern erfahren, empfehlen wir Ihnen Fabienne Schovenbergs Sachbuch „Ist die Welt noch zu retten I Die Welt ist noch zu retten – Auf der Suche nach Motivation beim Weltverbessern“.

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Wahnsinns Beute

Wolf Allihn

1.Auflage 2022

ISBN: 978-3-96004-128-3

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