August 2021. Menschen, die queer orientiert sind, leben eine andere Art der sexuellen Orientierung als Heterosexuelle. Das ist im Grunde genommen auch schon alles. Sie sind ansonsten nicht besser oder schlechter als andere Personen. Es treiben sie dieselben Lebensfragen, Zweifel und Sorgen um, es geht um dieselben Probleme wie beispielsweise zu den Themen Arbeiten, Wohnen oder Glaube. Diese Orientierung ist kein Stigma, jedenfalls sollte es das nicht sein. Und doch fürchten sich Menschen, die queer aufgestellt und zugleich stark christlich orientiert sind, auf eine besondere Art: Sie befürchten, in ihrem speziellen Umfeld nicht anerkannt, geradezu ausgeschlossen und ausgegrenzt zu werden, wenn sie sich zu ihrem Anderssein bekennen.
Selbstbewusst aus der Deckung kommen
Ist die christliche Kirche noch nicht so weit, sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen und sie dann anzuerkennen? Warum gibt es so starke Kräfte innerhalb der Kirche, die auf ihrer schwarz-weißen Sichtweise beharren und sich der bunten Realität mit aller Kraft entgegenstemmen? Mehr als zwei Dutzend Männer und Frauen haben in Timo Plattes Buch ihre Geschichte erzählt, weil sie das Totschweigen endlich brechen wollten. Sie wollen beides sein, queer und Christen. Sie wollen ebenso frei leben, wie andere es für sich in Anspruch nehmen. Das Sprechen und Schreiben darüber ist zudem ein therapeutischer Akt, denn das immerwährende Verstecken kann auch körperlich wie seelisch krank machen. Man steht vor der Frage der eigenen Identität, erkennt diese und muss doch irgendwie dauernd im Geheimen leben. Das kann nicht gottgewollt sein.
Keine Frage der Schuld
Dieses Doppelleben muss ein Ende haben. Der Appell dieses Buches richtet sich an alle, die ebenfalls im Glauben verwurzelt sind. Liebt Jesus nicht alle Menschen? Hat Gott nicht die Menschen geschaffen, wie sie eben sind? Hier sind keine Schuldfragen zu stellen und schon gar nicht zu beantworten. Hier geht es einfach um Mitmenschlichkeit, um Zwischenmenschlichkeit. Wer eine andere sexuelle Orientierung hat, darf nicht in eine Ecke abgeschoben werden. Er hat das gleiche Recht, seinen Glauben zu leben, wie Heterosexuelle. Menschen mit einer Queer-Orientierung gibt es viele, mehr als sich mancher Konservative das vielleicht vorstellt. Dass sie sich nicht aus der Deckung trauen, hat mit starren Formen und Vorstellungen der Heterosexuellen zu tun, nicht mit der eigenen Veranlagung. Das ist schmerzhaft für die Betroffenen und für alle, die bereits verstanden haben, was nötig ist und worum es geht. Glücklicherweise öffnet sich mancher in der Kirche positiv und macht den Betroffenen auf diese Weise Mut. Aber es sind noch zu wenige. Dieses Buch kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass es mehr werden.
Ein wichtiger Beitrag – queere Community
So hat Timo Platte ein Werk geschrieben, das die Erlebnisse und Erfahrungen dieser Menschen zum Inhalt hat. Sie alle werden nur mit den Vornamen oder sogar mit Pseudonymen genannt, damit ihnen in ihren jeweiligen Gemeinden keine Nachteile entstehen. Wenn man sich vorstellt, dass es immer noch Menschen gibt, die Homosexualität und Anderssein wegtherapieren wollen (was bekanntlich nicht möglich und zudem absolut unmenschlich ist), ist diese Vorsicht selbst in unserer so fortschrittlichen Zeit wohl angebracht. Noch in unserem 21. Jahrhundert ist diese Freiheit für Christen nicht selbstverständlich. Auch das ist grausam und ungerecht; und es ist zudem angesichts des Anspruchs, dass alle Menschen gleiche Rechte haben, absolut menschenunwürdig. Es ist wichtig, dass queere Personen ihr Leben ohne Angst führen können. Dieses Buch kann ein weiterer Schritt und ein wichtiger Mosaikbaustein dazu sein.
Über den Autor
Timo Platte war lange Zeit als diakonischer Begleiter in der Straffälligenhilfe beschäftigt. Inzwischen lebt er seit vielen Jahren als Grafikdesigner in Wuppertal. Dieses Buch ist als Aufforderung an alle Menschen, insbesondere an christlich denkende, gedacht, sich mit den Queer-Themen auseinanderzusetzen. Zahlreiche Autoren des Buches „Nicht mehr schweigen. Der lange Weg queerer Christinnen und Christen zu einem authentischen Leben“ kommen ebenfalls aus dem christlich-konservativen Umfeld und haben eine Art Heimat in der Initiative Zwischenraum e.V. gefunden.
Der Titel erschien als Book-on-Demand beim Westarp-Verlag, dem Verlag für Selfpublisher.